Wenn man Zazen von außen betrachtet, dann versteht man es nicht.
Die Leute sagen mir manchmal: „Sie verschwenden Ihre Zeit, sitzend, nichtstuend …“. Zazen praktizieren, das ist den Normalzustand des Geistes zu praktizieren. Das Gegenteil des Normalzustands, das ist der Wahnsinn.
Nirgends bringt man uns bei mit negativen Emotionen umzugehen, wie der Wut, dem Haß, der Angst, der Eifersucht, der Unzufriedenheit, der Begierde immer mehr haben zu wollen. Weder in der Schule, noch an der Universität, noch in der Gesellschaft bringt man uns bei sich von den betrüblichen Leidenschaften zu befreien. Manche Personen stehen morgens mit einem Gedanken auf, einer Begierde, die sie den ganzen Tag über mit sich herumtragen. Am nächsten Morgen wachen sie mit demselben Gedanken auf. Unmöglich sich von den zwanghaften Gedanken zu befreien, wie die Begierde der Rache, des Bedauerns, der Wut – unmöglich sich davon zu befreien.
Der Zustand der Welt hängt vom Geist der Menschen ab. Die Kriege hängen vom Zustand des Geistes der Menschen ab. Der Zustand des Planeten, das Aussterben der Tiere, die Verschmutzung der Ozeane, all das wächst aus der Gier der Menschen. Zazen praktizieren, das ist zurückkehren zum Normalzustand des Geistes.
Im Universum ist alles im Normalzustand – bis auf den Menschen. Alles lebt in wechselseitiger Abhängigkeit. Alles lebt in Veränderung – nur der Mensch, der seine Gier, manchmal seine Wut, manchmal seine Dummheit nicht loslassen kann. Am Ende ist Zazen wichtiger für die Menschheit als sogar die Atmung.
Warum ist es so schwierig für das menschliche Wesen zum Normalzustand seines Geistes zurückzukehren? Weil der Mensch ein denkendes Wesen ist. Das ist seine Größe, aber auch seine Schwäche. Ausgehend von den Gedanken kann man sich vorstellen der Herrscher der Welt zu sein. Man kann alle möglichen Mittel erfinden um alle anderen Existenzen auszunutzen. Man kann alle möglich Mittel erfinden um das zu zerstören was einem im Weg steht.
Der wichtige Punkt ist es einen Gedanken zu haben der in Übereinstimmung mit der Realität des Universums ist. Wie Rabelais sagt: „Wissenschaft – alle Aktivitäten des Menschen – ohne Gewissen sind sie nur die Trümmer der Seele“.
Aber bevor wir ein denkendes Wesen sind, sind wir ein lebendiges Wesen. Wir dürfen niemals unsere lebendige Seite vergessen. Zazen erinnert uns an das reine Leben, an die pure Existenz, erinnert uns daran, dass wir bevor wir ein denkendes Wesen sind wir ein lebendiges Wesen sind.
Zazen verlangt von uns zurückzukehren zu dem Leben bevor die Gedanken sich erheben. Immer weiterschreitend von Gedanken, zu Gedanken, zu Gedanken … einzusteigen in den Zyklus des Wahnsinns. Das ist sich immer weiter und weiter von der Realität entfernen. Ein wahrer Gedanke entstammt unserem lebendigen Zustand. Es ist wichtig ohne Unterlass zum lebendigen Zustand zurückzukehren, zur reinen Existenz. Das heißt zum Normalzustand des Geistes: ein Gedanke der aus dem Nicht-Denken erscheint und der in das Nicht-Denken zurückkehrt.
Denken ausgehend vom Nicht-Denken, das ist der Normalzustand des Geistes. Lebendig, denken, lebendig, denken: das ist es was wir in Zazen machen, wo wir die Gedanken von selbst erscheinen lassen, und wir lassen sie von selbst wieder vergehen. Denken aus dem Urgrund des Nicht-Denkens. Das korrekte Denken ist ein permanentes Wechselspiel von Gedanken, von Nicht-Gedanken, von Gedanken, von Nicht-Gedanken.
Von Gedanken zu Gedanken fortschreiten führt uns in den Wahnsinn. Unsere Gedanken nicht loslassen zu können ist nicht der Normalzustand. An einem Gedanken anzuhaften ohne sich von ihm loslösen zu können, das ist wie ein kleines Kind wenn es seine Trotzphase hat. Wenn man einem kleinen Kind verzeihen kann, so ist es bei einem Erwachsenen dramatisch, wenn er seine Wut, seine Begierden und seine Dummheiten nicht zügeln kann.
Versteht, dass die korrekten Gedanken dem Lebendigen dienen sollen. Das ist es was wir im Zazen lernen. Denken aus der Tiefe des Nicht-Denkens. Ein Gedanke taucht aus der Tiefe des Nicht-Denkens auf und verschwindet wieder dahin. Das ist der Normalzustand des Geistes. Nicht in der Lage sein einen Gedanken ziehen zu lassen, das ist der Wahnsinn.
Zum Normalzustand unseres Geistes zurückzukehren ist das Wichtigste in unserem Leben. Der Typ der mit der Waffe auf die Straße geht und alle Leute erschießt, die ihm begegnen, hat den Verstand verloren. Er ist von einem haßerfüllten Gedanken zum nächsten gewandert bis er schließlich gehandelt hat.
Bitte versteht das Funktionieren des Geistes. Zazen ist wichtiger für die Menschheit als selbst die Atmung. Zazen ermöglicht die Atmung des Geistes. Die Atmung hat zwei Aspekte: Die Einatmung und die Ausatmung. Die Atmung des Geistes funktioniert analog: Ein Gedanke erscheint, ein Gedanke verschwindet. Das ist der Normalzustand des Lebendigen, des lebenden menschlichen Wesens. Bei der Einatmung erscheint ein Gedanke, bei der Ausatmung verschwindet er.
Der Normalzustand des Geistes verfestigt sich in dem Moment in dem man sich nicht mehr damit beschäftigt was im Geist erscheint und was aus dem Geist verschwindet.

Taiun JP Faure, Juni 2021

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