Der Zenmeister Taiun Jean-Pierre Faure hat die Mönchsordination von Meister Taisen Deshimaru 1981 erhalten. Er hat 2003 die Transmission des Dharma von Minamizawa Zenji erhalten – höchste Autorität des Zen, Abt des Tempels Eiheiji in Japan. Er ist heute Abt des Klosters Kanshoji in der Dordogne. Er gibt den Buddhismus in der Tradition des Zen Sôtô weiter.


Wie haben Sie die Transmission der Lehre Buddhas erhalten?

Ich habe die Transmission des Dharma erhalten, weil ich es wollte und weil mein Meister sie mir geben wollte. Ich wollte sehnlichst meine mentale Unruhe beenden, meine Ängste, meine Wut. Inspiriert von der natürlichen Funktionalität des Universums dachte ich dass es möglich ist einen Zustand jenseits des Hasses und der Angst zu erreichen. Und ich suchte einen Weg.
Ich hatte zuvor einen christliche Weg eingeschlagen und später einen engagierten politischen Weg. Dann habe ich Meister Deshimaru getroffen. Er ähnelte wirklich den großen Meistern aus vergangenen Zeiten, von denen ich gehört hatte. Er strahlte eine solche Güte und eine solche Kraft aus, dass ich Lust hatte ihm zu folgen, seinen Spuren zu folgen. Aus meiner christlichen Periode kannte ich die christliche aufopfernde Liebe und ich sah da einen Menschen, der ohne sich zu opfern sich für die Anderen einsetzt. Seine Gesten waren Gesten der Liebe geprägt von Weisheit.
Ich war berührt durch ihn zu sehen, dass die Liebe und die Weisheit zwei Aspekte von ein und derselben Sache sind. Das Prajnaparamita Sutra lehrt über alle Formen hinauszugehen ohne sich an jeglichem was ist festzuhalten – der Geist vollständig frei und klar. Dieses Sutra lädt uns ein ohne Unterlass die sich immer verändernde Realität zu umarmen. Selbst wenn sich in jedem Moment ein Bild in unserem Geist formt, eine Repräsentation der Realität, geht es darum sich von nichts aufhalten zu lassen.
Der immerneue Geist, gegenüber jeglicher Situation, in Übereinstimmung mit der Realität – das ist die Weisheit. Der disponible Geist, der den Irrsinn der Menschen sieht, lässt uns den Vorsatz fassen dass unser Leben wohltuend für alle Leben ist, inklusive unserem eigenen. Wir widmen unsere Praxis Anderen zu helfen sich zu befreien: Das ist die höchste Form des Mitgefühls und der wahren Liebe.
Die beste Art die Leiden der Anderen zu lindern – ihnen zu helfen ihre Ängste zu überwinden, ihre Abneigungen, ihre Ignoranz – ist es ihnen das Dharma zu lehren. Das ist die Botschaft die Meister Deshimaru weitergegeben hat. So kam es, dass ich sein Schüler wurde und dass unwissentlich eine Transmission von Geist zu Geist stattfand.

Wie wechselt man vom Status des Schülers zu dem des Lehres bzw. des Übertragenden?

Ich war Schüler und ich bin es noch immer. Je länger das her ist desto mehr spüre ich die Dankbarkeit für die Gabe die mir von Minamizawa Zenji und zuvor von Meister Deshimaru gegeben wurde. Dieser Weg hat mein Leben verändert, der oft von Dummheit, Wut und der Beschränktheit des Geistes geleitet wurde. Heute fühle ich viel mehr Liebe um mich herum, weil tatsächlich die Liebe in meinem tiefsten Inneren existiert. In Situationen, die ich für unentwirrbar hielt, finde ich einen Weg um sie zu entwirren. Durch die Praxis der Weisheit behalte ich einen ausgeglichenen Geist gegenüber Situationen, die nur schwer zu akzeptieren sind.
Ich liebe in aller Tiefe Meister Deshimaru, ich bewundere und respektiere ihn. Er benötigte viel Mut um die Lehre Buddhas uns westlichen Menschen zu übertragen. Bezüglich Minamisawa Zenji, der sich nur wenig äußert, ist es eine seltene Innerlichkeit und Bescheidenheit. Sich jenseits der Worte auszudrücken ist mit einer großen Macht in seinem Verhalten verbunden. Auch von ihm habe ich viel gelernt.
Der Ausdruck meiner Dankbarkeit ist es heute das zurückzugeben, was ich erhalten habe. Ich bin in der Position von jemandem der ein wunderbares Geschenk erhalten hat und nicht weiss wie er dem danken soll.
Ich bin zwei Zenmeistern nahegekommen, die es mir erlaubt haben die Lehre Buddhas zu verstehen und zu praktizieren. Ich kann sehen wie sehr diese Lehre wundervoll und wertvoll ist, da sie dem menschlichen Wesen erlaubt das große Problem von Leben und Sterben zu lösen. Dadurch, dass ich diese Wohltaten kennengelernt habe, habe ich den Wunsch dies einer möglichst großen Zahl von Menschen weiterzugeben.
Darum bin ich Lehrer des Dharmas geworden. Ich habe verstanden, dass ein echter Schüler zu sein heißt seinem Meister zu helfen das Dharma weiterzugeben und seine Mission nach ihm fortzuführen. Man wird ein wahrer Lehrer des Dharmas, unter der Bedingung, dass man ein wahrer Schüler war. Um in dieser Welt in Flammen zu leben und voranzukommen gibt es andere Möglichkeiten – aber die Beste ist es mit dem Geist Buddhas voranzugehen, das heißt ohne Waffen und ohne Rüstung. Erweckt zur Realität ist die korrekte Haltung um gute Entscheidungen zu treffen.
„Was willst du mit deinem Leben machen, wenn du es nicht zu Diensten des Lebens verwendest?“ Das Leben gibt sich dem Leben seit Ewigkeiten hin und dieses Gesetz hat sich nicht geändert und wird sich nicht ändern. Dein Leben ist Teil dieses endlosen Kreises: Das Leben des Universums ist deinem Leben zu Diensten, dein Leben dient dem Leben des Universums. Eines Tages hat Meister Deshimaru mir gesagt: „Du wirst nicht nur für dich alleine praktizieren.“ Und er hat mich eingeladen einen Ort der Praxis aufzumachen und den Menschen anzubieten Zazen kennenzulernen.
Später ist Minamizawa Roshi nach Frankreich in den Tempel La Gendronnière gekommen für den ich verantwortlich war. Bei unserer Begegnung hat er die Notwendigkeit einer authentischen Transmission zur Sprache gebracht. Später hat er mir das Shihō (die Transmission des Dharmas) gegeben. In einem solchen Moment erkennt der Meister an, dass der Schüler seine Lehre verstanden hat und er damit sein Nachfolger wird,ein neues Glied in seiner Linie.
Viel später habe ich das Shihō an zwei Schüler weitergegeben, die mir loyal gefolgt sind und geholfen haben.Das Wichtige bei dem Vorgang der Transmission ist es, dass der Schüler von dem Wunsch zu seiner Dimension von Buddha zurückzukehren getragen wird und bei dem Wunsch den Seinesgleichen zu helfen dorthin zu gelangen.

Bisher haben wir von der Transmission/Übertragung gesprochen, aber was ist es denn in Wirklichkeit was da übertragen wird?

Es ist nichts Greifbares, nichts Verständliches und auch nichts Sichtbares was auf den Schüler übertragen wird. Eine Person nähert sich einer Anderen und öffnet sich ihr gegenüber. Ein Kind wird in seinem Verhalten und in seinen Werten dadurch geprägt, dass es in Kontakt mit seinen Eltern lebt. Entsprechend wird der Schüler, der an der Seite des Meisters lebt, durch dessen Realisation geprägt. Dies geschieht langsam, unbewusst, auf intuitive Art durch die Resonanz. Eine der Bedingungen für diese Transmission ist es, dass der Schüler einen starken Willen hat sich zu erwecken. Die andere Bedingung ist es, dass der Meister bereit ist ihm zu antworten.
Dies ist keine Übertragung von materiellen Dingen. Wie eine mit Wachs getränkte Fackel sich entzündet beim Kontakt mit einer brennenden Fackel, so realisiert sich das Streben des Schülers im Kontakt mit der Verwirklichung des Meisters. Im Zen spricht man von „I shin den shin“ – eine Transmission ohne Worte: Von Geist zu Geist. Der Meister verwirklicht die Befreiung und es ist dieses von Buddha getränkte Parfüm, das der Schüler riecht und sich zu eigen macht. Es ist in einem Verhältnis des Vertrauens und des Respekts, dass der Schüler sich den Werten des Meisters öffnet und dahin kommt dem selben Weg wie dieser zu folgen. Die Aufgeschlossenheit für die Werte des Meisters hängt von der Art ab, in der der Schüler die Wahrheit bei dem Meister sieht.
Meister Dōgen erinnert daran, dass die Übertragung effektiv ist, wenn der Schüler in der Lage ist sich vor der Wahrheit des Meisters niederzuwerfen. Für Meister Dōgen ist eine Person verehrungswürdig von dem Moment an wo die Wahrheit sich natürlich in seinem Verhalten, seinen Worten und seinem Geist manifestiert. Das Phänomen der Übertragung des Dharmas geschieht nicht auf der Ebene des Geistes. Tatsächlich versteht der Schüler nicht immer zuerst auf der intellektuellen Ebene die Verwirklichung des Meisters und die Lehren die damit einhergehen. Respektieren, im Sinne des Wortes, bedeutet: Zweimal hinsehen.
Tatsächlich soll der Schüler den Instruktionen des Meister eine Bedeutung anheften, sie in aller Tiefe studieren, immer wieder, um ihren Geist zu verstehen. Man kann sagen, dass der Schüler von oben auf die Schulter des Meisters schaut und sieht in welche Richtung dieser geht. Das unterstellt, dass der Schüler, Schritt für Schritt, die durchdringende Vison, die erweckte Vision des Meisters erreicht und durch Intuition ihn jenseits der Worte versteht. Es reicht manchmal für den Meister eine Augenbraue zu heben oder mit dem Auge zu zwinkern, um eine Anweisung, eine Richtung, aufzuzeigen.
Diese Transmission geschieht in einer Beziehung der wahren Liebe, der großen Liebe, jenseits jeglicher persönlicher Interessen, nur im Dienste des Dharma. In der Beziehung Meister-Schüler ist der Schüler bestrebt dem Meister zu helfen, bestrebt ihn nicht zu ermüden. Der Schüler spürt die Liebe des Meisters. Und zeigt von seiner Seite das Wohlwollen gegenüber ihm. Er tut alles um zu helfen, ihm bei seiner Mission zu helfen, um tatsächlich dem Dharma zu helfen sich zu verbreiten.
Ein wahrer Schüler denkt nicht daran ein Meister zu werden, im Gegenteil ist er bewegt vom Geist des Bodhisattva, der sich dazu erweckt hat den Anderen zu helfen sich zu erwecken und ausserdem dem Meister zu helfen die Lehre der Erweckung weiterzugeben. So kommt es, dass eines Tages, den Geist der Dankbarkeit beim Schüler spürend, der Meister ihn für geeignet hält das Dharma weiterzugeben – völlig von jeglicher Idee der egoistischen persönlichen Weiterentwicklung befreit. Er erkennt an dass der Schüler die der Erweckung eigenen drei Geiste des Weges besitzt: Der großmütige Geist, der verantwortungsvolle Geist, der freudige Geist.
Der großmütige Geist sieht groß, sieht über das mich und mein hinaus. Der verantwortungsvolle Geist schafft es, mit Mitgefühl und Liebe, das Leiden der Welt zu lindern. Der Geist der, ohne zu Zählen, das Beste von sich selbst gibt fühlt die Freude. Wenn der Schüler es erreicht hat, dass die drei Geiste sein Leben dirigieren, in diesem Moment erkennt und zertifiziert der Meister ihn, durch die Zeremonie des Shihō, als seinen Nachfolger.
Das was man auf dem Weg Buddhas verehrt ist die Realität, so wie sie ist! Diese verehrte Realität ist in den Handlungen des Alltaglebens, wie beim sich Anziehen oder beim Empfangen der Nahrung. Das sind die Orte der Erweckung. Das ist es was erklärt, warum der Meister, während der Zeremonie des Shihō, dem Schüler das Kesa überreicht, das Kleidungsstück das das Universum symbolisiert das uns bedeckt, sowie die Schale des Mönchs, die den Kopf des Mönchs symbolisiert, die die Gabe des Universums empfängt und enthält.
Diese konkret übertragenen Objekte erinnern den Mönch daran sich wenig um die materiellen Umstände seines Lebens zu kümmern. Meister Dōgen bestätigt dass der Mönch, der das Dharma überträgt, niemals Hunger oder Kälte leiden muss.

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