Morgens, wenn wir das Kesa anlegen, erinnern wir uns an das was unsere Praxis ist indem wir singen:

            Oh großes Gewand der Befreiung
Bereich des Glücks jenseits jeglicher Form

Das Kesa repräsentiert die Lehre Buddhas, das heißt die Lehre des Universums. Mit dem Kesa bekleidet sein, das ist ohne Trennung gemeinsam mit allen Existenzen, befreit vom ICH. Frei vom ICH, frei von allen Dingen. Frei vom ICH, das ist befreit sein von allen fehlerhaften Konzepten, befreit vom Mentalen und seinen Strategien.

Meister Dôgen erinnert uns daran, dass wir praktizieren sollen mit „unseren Brüdern, unseren Schwestern, unseren Vätern, unseren Müttern die nichts anderes sind als die Berge, die Täler und die Flüsse.“ Befreit vom ICH, befreit von Allem.

Sicher, die Befreiung – das heißt die direkte Erfahrung der Realität  – kann vom Intellekt her gesehen werden. Tatsächlich zeigt uns die Unterweisung Buddhas die Richtung durch Worte an, zeigt sie uns durch Worte die richtige Praxis. Aber dieses notwendige intellektuelle Verständnis darf nicht mit der direkten Erfahrung verwechselt werden, mit der Befreiung von allen Dingen, mit dem Bereich des Glücks jenseits jeglicher Form.

Manchmal glauben wir eine Erweckungserfahrung zu haben – aber sie ist nur intellektuell. Die direkte Erfahrung, diese ist wenn man vollständig eins ist, vereint in Aktivität, befreit von jeglicher Vorstellung von ICH. Wenn unser Geist stark genug ist, vergessen wir unsere egoistischen Begehren.

Meister Shunryu Suzuki sagt: „Wenn ihr ein Problem antrefft, dann zeigt das dass eure Praxis nicht gut genug ist.“  – das heisst dass ihr euren Kommentaren Platz lasst, dass ihr euren Analysen Platz lasst, dass ihr euren Geist auf vergifteten Wegen fliessen lasst. Wenn wir den Weg ignorieren, lassen wir uns dazu hinreissen zu beurteilen: „Das ist gut, das ist schlecht …“. Eine solche Einstellung, ein solcher Geist voll mit Beurteilungen und Vorwürfen erscheint lächerlich wenn man ernsthaft praktiziert. Zur Einheit zurückkehren, das ICH, das MICH und das MEIN vollständig vergessen, zum Bereich des unendlichen Glücks gelangen, jenseits aller Form, zentriert in der Aktivität.

Wenn ihr glaubt ein Problem anzutreffen, heisst das eure Praxis ist nicht gut. Eine gute Praxis ist, wenn man vom ICH befreit ist, befreit ist von Allem. Manche Menschen sprechen nur von sich selbst, denken nur an sich selbst, beziehen alles auf sich selbst: Das ist nicht frei sein. Es sind dieselben Personen, die glauben eine Erweckungserfahrung zu haben auch wenn es nur eine intellektuelle Erfahrung ist. Die direkte Erfahrung ist in seiner Aktivität geeint sein, von sämtlichen parasitären Gedanken befreit, wenn Körper und Geist eins sind. Das Kesa tragen führt uns auf unsere Dimension als Schüler Buddhas zurück, führt uns zur richtigen Praxis zurück, befreit vom ICH, beifreit von allen Dingen.

Wenn ihr glaubt ein Problem vorzufinden heisst das, dass eure Praxis nicht gut ist. Die Unterweisung Buddhas geht an die Wurzel. Es geht nicht darum unseren Geist im Mentalen zu trainieren. Was Buddha uns vorschlägt ist zum ursprünglichen Geist zurückzukehren, jenseits jeglicher Form, der Bereich des wahren Glücks, der Bereich unendlicher Verdienste.

Taiun JP Faure, März 2020

0 Kommentare

Hinterlasse ein Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert